Warum dein Kind wählerisch ist – und wie du gelassen bleibst!
Viele Kinder essen nur eine sehr eingeschränkte Auswahl an Lebensmitteln: Nudeln mit Butter, Reis mit Butter, Kartoffeln mit Butter – und für Abwechslung darf es vielleicht mal mit Ketchup sein. Auch das Toastbrot wird am liebsten ohne Rand akzeptiert, und zwar so, wie Oma es schneidet. Willkommen im Alltag mit einem sogenannten „Picky Eater“. Auch bei uns in der Familie gibt es ein wählerisches Kind. Anfangs dachte ich, diese Phase würde über kurz oder lang von allein vorübergehen – solange ich keinen Druck ausübe. Mein anderes Kind isst schließlich fast alles – vielleicht färbt das irgendwann ab.
Doch jetzt, im dritten Winter in der Kita, in dem wir gefühlt wieder jede Kinderkrankheit aus der Kita mitnehmen, frage ich mich, ob es doch einen Zusammenhang zwischen der unausgewogenen Ernährung und den ständigen Infekten meines Picky Eaters gibt. Denn ich habe zwei Jahre lang in der Kita meiner Kinder gearbeitet und aus erster Hand erfahren, dass wir schon überdurchschnittlich oft von Krankheiten betroffen waren. Und obwohl wir abwechselnd als Familie alles getan haben, um Fehlzeiten in der Arbeit gering zu halten, haben uns die ständigen Krankheiten oft an unsere Grenzen gebracht. Ganzheitlich.
Als Mama mache ich mir natürlich Sorgen: Bekommt mein Kind genug Nährstoffe, um gesund zu bleiben und sein Immunsystem zu stärken? Wie kann ich es für Obst und Gemüse begeistern, ohne zusätzlichen Stress zu erzeugen? Ich bin am Ende meines Lateins und auch am Ende meiner Gelassenheit, was das Thema gesunde Ernährung für Kinder angeht – also mache ich mich auf die Suche nach hilfreichen Tipps und Strategien für Eltern von Picky Eatern, um ihnen wortwörtlich das gesunde und abwechslungsreiche Essen schmackhaft zu machen – und bin unter anderem auf die interessante Podcastfolge “Picky Eating – was können wir tun, wenn Kinder wählerisch beim Essen sind?” von “Das gewünschteste Wunschkind – der Podcast mit Danielle Graf und Katja Seide” gestoßen. Zu Gast waren die Psycholog:innen Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund, die das Buch „Willst du nicht wenigstens mal probieren?“ verfasst haben. Ihre Einsichten und Tipps haben mir geholfen, das Verhalten meines Kindes besser zu verstehen und praktische Ansätze zu entwickeln.
Warum Kinder wählerisch essen
Etwa die Hälfte aller Kinder durchlebt laut Rietzler und Grolimund eine Phase des wählerischen Essens. Während Babys in der Beikostphase oft neugierig neue Geschmäcker ausprobieren, beginnt diese Offenheit zwischen 1,5 und 2 Jahren häufig zu schwinden. Viele Kinder meiden plötzlich bestimmte Lebensmittel, insbesondere Gemüse. Diese sogenannte „Essens-Neophobie“ erreicht ihren Höhepunkt oft zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr und nimmt dann bis zum Schulalter meist wieder ab.
Eine evolutionäre Perspektive
Dieses Verhalten hat evolutionsbiologische Wurzeln. Während Babys in engem Kontakt mit ihren Eltern darauf vertrauen können, dass die von ihnen angeboten Nahrung sicher ist, müssen sich ältere Kleinkinder, die zunehmend autonomer werden, vor potenziell giftigen Nahrungsmitteln schützen. Daher besteht nicht selten bei Kleinkindern eine gewisse Skepsis und Ängstlichkeit vor Neuem. Vor allem bittere oder grüne Lebensmittel, die in der Natur oft giftig sind, werden instinktiv gemieden. Mit zunehmender kognitiver Reife und wachsender Erfahrung in ihrer Umwelt legt sich diese Vorsicht jedoch meist im Schulalter wieder von selbst.
Was beeinflusst das Essverhalten von Kindern?
Das wählerische Essverhalten von Kindern wird durch eine Kombination aus genetischen Veranlagungen und Prägungen geformt. Bereits während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie durch die Essgewohnheiten der Eltern wird der Geschmackssinn des Kindes beeinflusst. Picky Eater bevorzugen oft Speisen, die süß, fettig, frittiert oder knusprig sind. Diese liefern zwar schnell Energie, decken jedoch langfristig nicht den Nährstoffbedarf. Das kann Eltern große Sorgen bereiten – sowohl um die Gesundheit des Kindes als auch wegen der alltäglichen Herausforderungen in der Küche.
Warum das Thema Essen so belastend sein kann
Das Thema Essen kann den Familienalltag stark belasten. Was koche ich, damit es alle essen? …Und es auch organisatorisch gut in den Familienalltag passt? Wie schaffe ich es, dass mein Kind gesund isst, ohne Druck auszuüben, der möglicherweise den negativen Bezug zum Essverhalten noch verstärkt? Ab wann muss ich mir Sorgen machen, dass mein Kind nicht genug Vitamine bekommt? Mache ich etwas falsch? Diese Fragen sorgen oft für Unsicherheit und Stress.
Besonders frustrierend ist es, wenn man mit viel Mühe eine Mahlzeit zubereitet und sie dann unangetastet bleibt. Einerseits will man Ressourcen sparen und lieber direkt das servieren, was mit Sicherheit gegessen wird. Andererseits möchte man das Kind ermutigen, neue Geschmäcker zu probieren. Die Mahlzeitenplanung wird so zu einem täglichen Balanceakt, der besonders für Familien mit Picky Eatern zu einer großen Herausforderung wird und zu Sorgen und viel Leidensdruck führen kann.
Auch der soziale Druck nimmt mit dem Alter der Kinder zu. Viele Eltern greifen dann auf Sätze zurück wie den bekannten Titel des Buches von Rietzler und Grolimund „Willst du nicht wenigstens mal probieren?“, um ihre Kinder zum Probieren zu bewegen. Doch gerade bei Kindern, die besonders sensibel auf den Geruch, die Konsistenz oder den Anblick bestimmter Lebensmittel reagieren, führt Druck oft zum Gegenteil. Anstelle einer Offenheit für Neues entsteht Abwehr. Wichtiger ist es hingegen, Kinder immer wieder und wieder unverbindlich mit verschiedenen Lebensmitteln in Kontakt zu bringen. Eine Handvoll Gurkenscheiben oder ein paar Beeren, die kommentarlos auf den Tisch gestellt werden, reichen oft aus. Wenn Eltern sich zurückhalten und keine Erwartungen äußern, können Kinder in ihrem eigenen Tempo neugierig werden und vielleicht eines Tages freiwillig probieren.
Wird hingegen ständig betont, dass das Kind unbedingt probieren muss, und wird das Thema zum Dauerkonflikt, kann das Essen für Kinder zu einer belastenden Erfahrung werden. Manche Kinder fühlen sich so unter Druck gesetzt, dass sie gar nicht mehr gern am gemeinsamen Essen teilnehmen. Das kann nicht nur die familiäre Beziehung belasten, sondern auch langfristig das Verhältnis des Kindes zur Nahrung negativ prägen.
Der Schlüssel liegt darin, die Essenssituation entspannt zu gestalten. Weniger Fokus darauf, was und wie viel das Kind isst, und mehr Wert auf eine positive Atmosphäre und eine gute Beziehungsgestaltung. Wenn Eltern den Druck herausnehmen und gelassen bleiben, können Kinder mit der Zeit eine natürliche Offenheit gegenüber neuen Lebensmitteln entwickeln – ganz ohne Zwang und Stress. Und so ganz nebenbei bietet das gemeinsame Essen in der Familie oft den größten Raum für den Austausch zwischen den einzelnen Familienmitgliedern, die in der heutigen Zeit ihren Alltag oft eher verstreut verbringen. Wäre es nicht schade, diese wertvolle Gelegenheit durch eine falsche Priorisierung ungenutzt zu lassen??
Diese konkreten Handlungsstrategien können dabei helfen, den Essensalltag mit Picky Eatern zu entspannen:
- Gemeinsame Mahlzeiten in entspannter Atmosphäre: Auch wenn es mit Picky Eatern nicht immer einfach ist, trägt eine ruhige, stressfreie Umgebung entscheidend zu einer positiven Mahlzeitenerfahrung bei. Falls du dir Sorgen um die Gesundheit deines Kindes machst, kann eine kinderärztliche Abklärung Klarheit und Gelassenheit bringen. Die Gewissheit, dass kein gesundheitliches Risiko besteht, schafft Sicherheit und hilft dir, entspannt zu bleiben.
- Das Konzept der Aufteilung der Verantwortlichkeiten nach Ellyn Satter: Ein hilfreiches Konzept, das die Familientherapeutin Ellyn Satter entwickelt hat, ist die Aufteilung der Verantwortlichkeiten beim Essen. Dabei übernehmen Eltern die Verantwortung für das Was, Wann und Wo des Essens, während das Kind entscheiden darf, ob, wovon und wie viel es essen möchte. Es ist sinnvoll, sicherzustellen, dass immer mindestens ein Lebensmittel dabei ist, das das Kind gerne mag. Zudem empfiehlt es sich, die einzelnen Lebensmittel getrennt anzubieten, anstatt sie bereits gemischt zu servieren, da Picky Eater oft Schwierigkeiten haben, wenn verschiedene Lebensmittel miteinander in Kontakt kommen. So lässt du deinem Kind die Freiheit, selbst zu entscheiden, was es probieren möchte – ohne es zu kommentieren oder kritisch zu bewerten. Der Fokus sollte auf der entspannten gemeinsamen Mahlzeit liegen, bei der die Gespräche und die Beziehungsgestaltung im Vordergrund stehen.
- Wiederholung ist entscheidend: Ein oft unterschätzter Punkt ist die Bedeutung der Wiederholung. Schon bei Kleinkindern benötigt es 8-15 Kontakte mit einem Lebensmittel, bis es bereit ist, es zu probieren. Bei Picky Eatern kann dieser Prozess noch länger dauern. Jedes Mal, wenn das Kind mit einem neuen Lebensmittel in Berührung kommt – sei es durch Sehen, Riechen oder Berühren – wird das Lebensmittel vertrauter. Dies reduziert Hemmungen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwann probiert wird.
- Vorbildfunktion der Eltern: Das Verhalten der Eltern spielt eine große Rolle, denn Kinder lernen am meisten am Modell. Häufig passen Eltern ihr eigenes Essverhalten an die Vorlieben des Picky Eaters an, was jedoch den eigenen Geschmackshorizont enorm einschränken kann. Statt die Mahlzeiten in „Erwachsenen- und Kindergerichte“ zu unterteilen oder zu verschiedenen Zeiten zu essen, sollten Familien regelmäßig gemeinsam essen. Es ist völlig in Ordnung, wenn das Kind nicht alles isst – manchmal wird dann eben nur die Pasta oder das Brot gegessen. Wichtig ist, dass es ein gemeinsames Erlebnis gibt, bei dem das Kind sieht, dass Essen eine sichere und genussvolle Erfahrung sein kann.
- Kinder zum gemeinsamen Zubereiten von Mahlzeiten einladen: Gemeinsames Kochen mit Kindern fördert nicht nur ihre Neugier und Offenheit gegenüber neuen Lebensmitteln, sondern stärkt auch die Familienbindung. Kinder sind oft motivierter, das selbst Zubereitete zu probieren und sind stolz darauf, eine Mahlzeit für die Familie zuzubereiten. Dies ist ein wunderbarer Moment im Sinne von Slow Living: ein einfacher, aber wertvoller Augenblick, der die Beziehung stärkt und das Kind als aktiven Teil der Familie einbezieht. Eine regelmäßige Kochzeit am Nachmittag könnte eine schöne Tradition werden – ohne Druck, aber mit der Möglichkeit, gemeinsam Rezepte auszuwählen und vorzubereiten.
- Brücken zu Vertrautem bauen: Ein weiterer hilfreicher Ansatz ist, Brücken zu vertrauten Lebensmitteln zu schlagen. Wenn dein Kind bestimmte Zubereitungsarten oder Lebensmittel bevorzugt, kannst du ähnliche Varianten anbieten, um es langsam an neue Geschmacksrichtungen heranzuführen.
Geduld und Gelassenheit im Umgang mit Picky Eating
Picky Eating kann für Eltern eine echte Herausforderung darstellen, insbesondere wenn wir erwarten, dass sich das Essverhalten unserer Kinder schnell verändert. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass dieser Prozess Zeit braucht. Kinder benötigen oft Jahre, um sich an neue Lebensmittel zu gewöhnen. Das kann für uns Eltern eine wahre Geduldsprobe und durchaus nervenaufreibend sein.
Grolimund hebt einen weiteren wichtigen Punkt hervor: Das Thema Essen sollte mit Kindern wenn dann nur behutsam angesprochen werden, da es schnell zu Druck führen kann. Viele Kinder klammern sich an bestimmte Lebensmittel wie Süßigkeiten oder Pommes, weil sie diese als „sicher“ (nicht grün und giftig) empfinden. Wenn wir diese Lebensmittel nun negativ bewerten oder gar Angst davor schüren, indem wir ihnen sagen, dass sie dem Körper schaden oder sie krank machen können, trägt das nicht dazu dabei, dass unsere Kinder im Austausch neue, gesündere Optionen ausprobieren. Im Gegenteil. Stattdessen sollten wir eine positive Beziehung zur Nahrung aufbauen – beispielsweise können wir unseren Kindern einen Apfel anbieten und ihnen erklären, wie viele Vitamine darin stecken, die den Körper stark und fit machen. So wird Essen nicht zu einer Pflicht, sondern zu etwas, das Freude bereitet und dem Körper guttut.
Als Elternteil kann ich nicht erzwingen, was mein Kind isst, aber ich kann den Prozess positiv beeinflussen, indem ich einen unterstützenden Rahmen schaffe, wie oben beschrieben. Was mir als Elternteil viel Sorgen nimmt und mir Sicherheit sowie Gelassenheit gibt, ist das Aneignen von Fachwissen – statt blind vielen unqualifizierten Ratschlägen zu folgen, die auf harten Konsequenzen oder Druck basieren. Solche Methoden können das gesunde Essverhalten des Kindes eher behindern, anstatt es zu fördern. Es ist wichtig zu erkennen, dass der eigene Umgang mit dem Thema Essen bereits in Ordnung ist. Dadurch kann ich mehr Leichtigkeit und Gelassenheit in den Familienalltag bringen. Sollte es dennoch ernsthafte Sorgen geben, bietet eine kinderärztliche Untersuchung Klarheit und Gewissheit. Im Zweifelsfall können Eltern so an die richtigen Fachkräfte weitervermittelt werden.
Fazit
Picky Eating stellt Eltern oft vor Herausforderungen, doch es ist wichtig zu wissen, dass diese Phase meist vorübergeht. Mit Geduld, einer entspannten Haltung und den richtigen Strategien können Eltern ihr Kind dabei unterstützen, neue Lebensmittel und Geschmäcker zu entdecken. Der Fokus sollte dabei immer auf der Beziehung zum Kind liegen und weniger auf einem perfekten Ernährungsplan. Vertraue darauf, dass dein Kind mit der Zeit lernt, ausgewogener zu essen, und nimm dir selbst den Druck alles immer richtig machen zu müssen. Gemeinsam als Familie könnt ihr die Essenszeit zu einem positiven Erlebnis machen – ohne Stress, aber mit viel Liebe und Geduld.
In unserer Familie habe ich mir vorgenommen den Donnerstag als festen Tag für das gemeinsame Kochen zu gestalten. An diesem Tag haben die Kinder die Möglichkeit, sich freiwillig einzubringen – ohne Zwang, aber mit der Gelegenheit, gemeinsam Rezepte auszusuchen und vorzubereiten. Besonders für unseren Picky Eater erhoffe ich mir, dass das gemeinsame Kochen das Interesse am Essen weckt, ohne Druck auszuüben. Diese Tradition soll unseren Alltag bereichern und eine wertvolle Zeit der Verbindung schaffen. Im Sinne von Slow Living geht es darum, eine entspannte und unaufgeregte Atmosphäre zu schaffen, in der das Miteinander, das Tun, also der Prozess und das Erleben des Essens im Mittelpunkt stehen. So wird der Donnerstag zu einem besonderen Moment, der nicht nur das Kochen, sondern auch das Familiengefühl stärkt.
Empfehlungen
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➤ Zur Podcastfolge: https://open.spotify.com/episode/0KsCbxQAScrAPXBr4cBz1A?si=qvhFqI1oRDmiyf6acTMugQ&t=2271&context=spotify%3Ashow%3A5JGtseedumnUHh7Ack1g47
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